Albanien: In Albanien betreiben zwei unserer Partnerinnen eine Krankenstation. Die beiden Pflegerinnen sind für viele Menschen in ihrem Umfeld eine Quelle der Sicherheit und Fürsorge. Sie machen schon mit einfachster Hygiene und Pflege einen deutlichen Unterschied im Leben kranker Menschen. Doch genauso wichtig ist für sie die Aufarbeitung von seelischen Traumata, mit denen viele Albanerinnen und Albaner zu ihnen kommen. Eine von ihnen erzählt:
«Je tiefer die Menschen hier in der Not versinken, desto mehr scheinen wir ein Anker der Hoffnung für sie zu werden. Derzeit beschäftigt uns das Thema Gewalt. Ob jemand einfach aus Langeweile über eine Schildkröte fährt, ob eine Mutter sich umbringt und vorher ihre drei Kinder ertränkt, oder ob ein fortgeschrittener Krebspatient im Spital nur ein wenig Schmerzmittel bekommt – Gewalt und Missachtung sind in unserer Region allgegenwärtig und wir setzen uns oft damit auseinander.
Wir schulen neue Pflegende und auch mit ihnen haben wir das Thema ‹Gewalt in der Pflege› behandelt. Denn hier in Albanien erleben das sehr viele Patienten. Bei einer Übung sollten die Schüler und Schülerinnen Gewalterfahrungen malen. Ich habe die Eindrücke daraus selbst noch nicht verarbeitet. Als ich die Bilder sah, gefror mir das Blut in den Adern ein. Wie durch ein Wunder begannen die Teilnehmenden, sehr offen von ihren Gewalterfahrungen zu berichten – was sonst ein Tabu ist. Eine Teilnehmerin malte den Gürtel ihres Vaters. Dann erzählte sie stockend ihre Geschichte. Am Schluss fragte sie laut: ‹Wenn ich darüber spreche, verrate ich dann nicht meinen Vater, der der beste Freund des Pfarrers war?› Wir beteten gemeinsam für Heilung.
Um dies alles zu verarbeiten, machten wir mit der ganzen Gruppe einen Ausflug ans Meer. Wir beteten am Ufer, nahmen uns Zeit für Wahrnehmungsübungen und die Teilnehmenden sollten ihre Eindrücke mit Schwemmholz und Steinen darstellen. Schliesslich gingen wir von Station zu Station und bestaunten die Kunstwerke. Eine Gruppe hatte einen Gedenkort geschaffen für die vielen Flüchtlinge, die hier im Meer sterben. Da brach es aus Luana* heraus: ‹Endlich hat mein Bruder ein Grab!›, sagte sie begann heftig zu weinen.
Luana berichtete unter Tränen, dass ihr Bruder vor 15 Jahren auf einem Gummiboot von Albanien in Richtung Italien aufgebrochen war. Das Boot sank und alle Passagiere starben. Von ihm gab es keine Überreste und ihre Eltern suchen bis heute nach ihm. Nun, vor dem improvisierten Gedenkort, konnte sie endlich ihre Trauer herauslassen. Für sie war das ein einschneidendes Erlebnis.»
Unsere Partnerinnen begleiten Luana und viele andere auf ihrem Weg der Heilung. Manchmal tun sie das durch kleine Gesten, manchmal durch intensive Gespräche und Gebete. Wichtig ist ihnen, die Heilung Gottes in Anspruch zu nehmen, und das erleben sie immer wieder.