Linus Pfister, der Geschäftsleiter von HMK Schweiz, hat den Index von Open Doors 2025 angeschaut, der am 15. Januar veröffentlicht wurde. Das löst bei ihm auch nach viel Erfahrung noch Gefühle aus.
Am 15. Januar wurden die neuen Zahlen zur weltweiten Christenverfolgung veröffentlicht, gesammelt von Open Doors. Du hast den Bericht gelesen – was ist dein erster Gedanke?
Rein von den Zahlen her sieht es besser aus als in anderen Jahren – es kann sein, dass es in einigen bevölkerungsstarken Ländern wie China im letzten Jahr eine kleinere Welle der Verfolgung gab. Gleichzeitig ist mir aufgefallen, dass auch offene Länder wie Uganda neu auf der Liste stehen oder im Ranking hochgerutscht sind. Das finde ich erschreckend.
Was hat dich überrascht?
Die Zahlen und Einschätzungen zu den Ländern haben mich wenig überrascht, weil ich mich das ganze Jahr über mit Verfolgung beschäftige und sehr viel mitbekomme durch die Netzwerke der HMK.
Was löst der Index sonst bei dir emotional aus?
Wenn ich diese Berichte von Open Doors lese, dann überwältigen mich die Dimensionen: 380 Millionen Christen können ihren Glauben nicht so frei ausleben wie wir – das ist eine riesige Zahl. Jeder 7. Christ wird diskriminiert.
Hier steht, dass letztes Jahr 4 476 Christen wegen ihrem Glauben getötet wurden. Das finde ich krass, auch nach all den Jahren, in denen ich die HMK Schweiz leite. Jeden Tag, wenn ich aufstehe, sterben 12 Christen. Und ich gehe davon aus, dass die Zahl eigentlich noch etwas höher ist, weil zum Beispiel aus sehr abgelegenen Gebieten in Afrika kaum berichtet wird.
Was genau macht denn dein Hilfswerk, HMK Schweiz, gegen Christenverfolgung?
Wir sind in 80 % aller Länder auf dem Index von Open Doors tätig. Wir unterstützen Partner vor Ort und Christen so gut wie möglich, zum Beispiel mit Bibeln, SD-Karten und finanzieller Unterstützung für Pastoren und Leiter. Pro Jahr betreuen wir etwa 700 Fälle, wo wir direkt verfolgten Christen helfen, zum Beispiel dabei, eine neue Unterkunft zu finden, Seelsorge in Anspruch zu nehmen, Arztbesuche zu ermöglichen nach Übergriffen oder Rechtsbeistand zu leisten. Das sind 2 Familien pro Tag, denen wir aktiv helfen. Wir sehen uns da als ein Player unter vielen, die diesen Menschen helfen wollen, und sind dankbar, dass Gott uns die Möglichkeit gibt, das zu tun.
12 Christen sterben pro Tag, 2 könnt ihr helfen – warum verzweifelst du nicht an diesen Zahlen?
So eine Statistik ist die traurige Seite der Medaille – aber wenn man sie umdreht, dann sieht man, dass noch nie so viele Menschen weltweit zum Glauben gekommen sind wie heute. Es gibt mehr Menschen auf diesem Planeten, und ebenso mehr Christen. Das stellt mich auf.
Die Gute Nachricht wächst weltweit, und deshalb wird es auch bekämpft. Für mich gehört Verfolgung zu diesem Gesamtbild, das auch schon die Lebensrealität von Jesus und der frühen Gemeinde geprägt hat. Jesus sagt: «Wie sie mich verfolgt haben, so werden sie auch euch verfolgen.»
Gab es 2024 einen Fall, der dir besonders in Erinnerung geblieben ist?
Ja, und zwar eine Situation, die eine Palästinenserin erlebt hat. Ich selbst war nicht dabei, aber ein Freund hat mir davon erzählt. Die Frau, die von oben bis unten verschleiert war, traf in einer Gruppe auf einen christlichen Seelsorger. Sie rief vor vielen Muslimen: «Genug – ich habe es satt, einem Gott und einer Kultur zu dienen, in der ich wertlos bin!» Vor vielen Augen zog sie Kopftuch und ihr langes Gewand ab. Als der Christ ihr ein Video zeigte, wie Jesus mit Frauen umgeht, hatte sie Tränen in den Augen. Wenn ich mir vorstelle, wie diese Frau innere Freiheit erlebt und sich so mutig freikämpft, da freue ich mich so mit ihr. Doch dieser Mut hat Konsequenzen: Wie so viele wird diese Frau von ihrer Familie verstossen werden und alles verlieren – ihr Beziehungsnetz und Unterstützung in der Not. Eben für solche Menschen wollen wir als HMK Schweiz da sein.
Was können wir in der Schweiz für verfolgte Christen tun?
Wir können für betroffene Christen im Gebet einstehen – das ist absolut gratis und das kann jeder tun, ganz gleich, wie alt man ist. Man kann aber auch eines der Hilfswerke wie uns finanziell unterstützen. Oder einen Redner in den Gottesdienst einladen, der zum Thema Verfolgung berichtet – damit das Schicksal von den Christen in Afghanistan, China oder Usbekistan uns nicht nur jetzt im Januar, wenn wir so einen Bericht lesen, beschäftigt – sondern das ganze Jahr hindurch.